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10 Jahre Colitis Ulcerosa – dickdarmlos und dankbar. Ein Gastbeitrag von Désirée Marie.

colitis ulcerosa

Hey, ich heiße Désirée Marie, bin momentan 24 Jahre alt, arbeite als Journalistin (TV & Radio) für den NDR (Norddeutschen Rundfunk) und lebe seit 10 Jahren mit Colitis Ulcerosa, seit einigen Jahren inzwischen komplett ohne Dickdarm, dafür mit J-Pouch im Bauch. Aber fangen wir von vorne an ….

Die Diagnose

Das mit mir und meiner chronisch entzündlichen Darmerkrankung Colitis begann an Ostern 2008. Von heute auf morgen ein schwerer Schwub mit lebensbedrohlichem Blut- und Gewichtsverlust. 20 Kilo verlor ich innerhalb einer Woche. Also: ab in die Klinik. Ich lebte zu der Zeit mit meinen Eltern in Afrika. Meine Mama packte mich ins Auto und düste ins nächstgelegene Krankenhaus – über 300 Kilometer entfernt. Eine Koloskopie und ich hatte es schwarz auf weiß: Colitis Ulcerosa. 

Die Reaktion

Angst. Wut. Verzweiflung. Eine CED – also eine chronisch entzündliche Darmerkrankung. Chronisch, das heißt doch für immer, lebenslänglich oder?? Warum ich? Womit hatte ich das verdient? Gefühlschaos. Es folgten: viele Jahre Ärzte- und Krankenhaus-Marathon. Die Medikamenten-Klassiker (von A wie Azathioprin, über C wie Cortison, über M wie Mesalazin, bis A wie aggressive Antikörper) hatte ich schnell alle durchgespielt. Nichts half. Also Plan Z: die OP. Das Monster, der entzündete Dickdarm, musste raus aus meinem Bauch. In einer 9-Stündigen OP wurde mir der Übeltäter entfernt und ich bekam ein Stoma, einen künstlichen Darmausgang. Kurz vor meinem Abi. Mit nur noch 32 Kilo auf den Rippchen. Nach einem halben Jahr als „Beuteltier“ bekam ich einen sogenannten „J-Pouch“, ein körpereigenes Säckchen im Bauch, das mein Verdautes sammelt und mir so heute ein Leben ohne künstlichen Darmausgang ermöglicht. Aber bis dahin war es ein ziemlich langer, fieser Weg – mit über 12 OPs, 2 Stomas, 2 J-Pouches, vielen Monaten auf der Intensivstation, künstlicher Ernährung. Und trotzdem ist man dickdarmlos keinesfalls geheilt. Nein, ein Leben ohne Dickdarm ist möglich und LEBENSWERT aber echt nicht einfach und zu unterschätzen! Aber: ich bin am LEBEN! Ich habe ÜBERLEBT! Und das ist alles was zählt! Dafür bin ich unglaublich DANKBAR!

Bergauf 

„Ich hab Colitis. Aber die Colitis hat mich nicht!“ 

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Ich finde es super wichtig, dass man sich als CED-Patient immer wieder klarmacht, dass die Erkrankung zwar EIN Teil von einem ist, die viele Bereiche im Leben beeinflusst und verändert ABER sie ist eben auch nicht alles! Wir sind so viel mehr als unsere Darmerkrankung und wir dürfen uns nie darauf reduzieren oder unser Leben von ihr bestimmen lassen. Ich habe einen Schwerbehindertenausweis, sehe aber gar nicht „behindert“ aus. Frechheit! Das ist wohl der größte Fluch und Segen zugleich. Ja, ich sehe „ganz normal“ aus – muss ich mich dafür rechtfertigen? Mir sieht man meine Leidensgeschichte höchstens im Schwimmbad an. Ich verstecke mich heute nämlich nicht mehr unter einem Badeanzug. Nein, die lange Narbe, die sich senkrecht über meinen kompletten Bauch erstreckt, ist nichts wofür ich mich schäme! Sie zeigt höchstens, was ich alles schon durchgemacht und geschafft habe. Selbstakzeptanz – ein unglaublich wichtiger Meilenstein im Leben eines CED-Patienten! Die eigenen Stärken finden – und die Schwächen akzeptieren. Und das Leben genießen, so gut es eben gerade geht! Die guten, schmerzfreien Tage dankbar auskosten, aber eben auch akzeptieren, wenn der Körper mal eine kleine Verschnaufpause einlegen muss. Und vor allem: Nicht denken, dass man sich dafür rechtfertigen muss! Gute Freunde werden das verstehen und für einen da sein – zur Not auch auf dem Sofa oder im Krankenhaus – und die anderen braucht man sowieso nicht!

Die Ernährung: #friesbeforeguys

Meine Freunde würden wohl sagen: Ernährungsmotto #friesbeforeguys ! Tatsächlich sind Pommes mein Ernährungs-Joker. Die frittieren Sonnenstrahlen gehen eigentlich wirklich IMMER! Überhaupt Kartoffeln jeglicher Art. Aber hey, nicht dass ihr jetzt denkt meine Ernährung wäre einseitig. Nö, ich esse auch Torten, Käsekuchen, Schokolade, Crêpes, löffelweise Nutella…Ich möchte eben kein Lebensmittel benachteiligen. Außer die, die mir Bauchweh bescheren. Die können sich ruhig verkrümeln. Und die Liste der Dinge die ich ohne Dickdarm nicht mehr vertrage, ist leider ziemlich lang: Zwiebeln, Knoblauch, Obst, Gemüse, Salate, Säfte, Nüsse, Vollkorn, scharfes, zu fettiges, chinesisches Essen, …. Soll ich noch weitermachen? Ne reicht euch? Okay. In 10 Jahren mit der CED hab ich schon viel, viel ausprobiert (vegan, vegetarisch, paleo, SCD, …) und bin inzwischen zu dem Schluss gekommen, dass es für mich und meinen Bauch kein allgemeingültiges Ernährungs-Rezept gibt! Ich möchte mich nicht an strenge Regeln und Verbote halten. Ich esse heute, auf was ich Lust habe, was meinem Bauch gut tut und ab und an darf es dann eben auch mal eine Sünde sein (man muss das Leben doch auch genießen!). Aber in der Regel gibts bei mir: viele Kohlenhydrate (Brot, Brötchen, Kartoffeln), keine Kuhmilch (auch kein Joghurt, Quark etc. / nur auf Käse möchte ich nicht komplett verzichten! Milch gibts aber wirklich ausschließlich als pflanzliche Alternative. Mein Favorit: Mandel- & Kokosmilch), ab und an Fisch (am liebsten Lachs & Thunfisch) und Fleisch (hach Schnitzel!) kein Salat & Rohkost, dafür viel ballaststoffarmes & somit leicht verdauliches (Weißbrot statt Vollkorn) und eben auch mal: Pizza, Pommes, Burger & Kuchen. Erlaubt ist, was schmeckt! Das macht nämlich glücklich! Und glücklich macht gesund! So!

Über seinen Darm spricht man nicht? Ach ja? Find ich ganz schön scheisse!

Was meiner Meinung nach bei einer CED super wichtig ist: darüber reden! Es nicht totschweigen und tabuisieren. Gerade weil man es einem nicht ansieht und die Mitmenschen es nicht riechen können, bevorzuge ich Ehrlichkeit. Und sich mit anderen Betroffenen auszutauschen kann unglaublich guttun (anderen gehts genauso beschissen wie mir – ich bin nicht allein)! Deshalb ein großes DANKE, dass ich meine CED-Geschichte hier mit euch teilen und so wieder einen Teil zur „Enttabuisierung“ der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen beitragen konnte.


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Menschen, die sich trotz gesundheitlicher Probleme nicht unterkriegen lassen – aufstehen und weiter kämpfen – motivieren dazu, auch selbst nie aufzugeben. Deshalb dürft ihr hier das Schweigen brechen. Ohne schlechtes Gewissen über Probleme reden. Über den Darm. Über Höhen. Tiefen. Erfolge.  Gemeinsam schaffen wir es Tabus zu brechen, uns gegenseitig zu motivieren, zu inspirieren und viel voneinander zu lernen!

Wenn ihr eure Geschichte wie Désirée Marie teilen möchtet, schickt mir eine E-Mail an other-stories@outlook.com und ich werde sie auf meinem Blog veröffentlichen!

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